Der Tisch

Ein Bild zog sich während der Studienreise, die ich im August in Chicago begleiten durfte, durch die ganze Woche: Der Tisch.

Gleich am ersten Tag sassen wir mit der Reisegruppe aus der Schweiz und Deutschland im riesigen Auditorium der Willow Creek Kirche und liessen uns von der Predigt Welcome to the Party von Eugene Cho inspirieren:  Wir sind eingeladen an den Tisch und aufgerufen, selbst Gastgeber zu werden.

Obwohl mein Englisch zu wenig gut ist, um auf Anhieb zu verstehen, was ein Potluck ist, begriff ich sofort, worauf Eugene Cho hinaus wollte: Unser Tisch soll farbig sein, soll vielfältig sein, soll von den Gaben und Originalität jedes einzelnen leben.

Dieser Potluck, diese bunte Party, zu der alle unorganisiert etwas mitbringen, ist ein Bild dafür, wie das Leben auch sein könnte: Wir alle werden zu Hosts, zu Gastgebern. Und die Qualität vom Ganzen lebt nicht davon, dass einer ein „Super-Held“ ist, sondern von der Summe der Beiträge von jedem Einzelnen.

Menschen Würde verleihen

Der eindrückliche Sozialbereich (Care Centre, CARS Ministry, Rechtsberatung …) zeigte uns an den folgenden Tagen, wie diese Kirche ganz konkret hilfsbedürftige Menschen zurück „an den Tisch“ einlädt.

Ich durfte diese Reise nun schon mehrmals begleiten. Immer wieder berührend für die Gruppe ist, dass hier trotz der unglaublichen Grösse nicht einfach hilflose Menschen abgefertigt werden. Nein, es wird konkret darauf geachtet, wie man diesen Menschen ihre Würde (zurück) geben kann.

Kleines Beispiel: Die secondhand (Kinder)Kleider werden nicht einfach gratis abgegeben, sie werden zu ganz günstigen Preisen verkauft. Die Überlegung dahinter: Die Eltern können mit erhobenem Haupt nach Hause gehen und zu ihren Kids sagen: „Schau mal, was ich heute für dich gekauft habe!“. Wie würdevoller ist dies, als wenn sie sagen müssen: „Schau mal, was ich für dich gekriegt habe!“.

In Chicago selbst wurden wir von der Emmaus Arbeit, die unter den Menschen am Männerstrich aktiv ist, herausgefordert, nicht nur Leute an unseren Tisch einzuladen, sondern den Menschen Würde zu verleihen, in dem wir die Einladung an „ihren Tisch“ annehmen – auch wenn es dort stinkt und ungemütlich ist.

Und schliesslich folgte auf diese Tage voller Eindrücke und Impulse als abschliessender Höhepunkt der Studienreise der zweitägige Global Leadership Summit. Geballte Lektionen auf höchstem Niveau im Bereich Leadership und Persönlichkeitsentwicklung für Social Entrepreneurs, CEOs, Pfarrer und überhaupt für Menschen, die ihre Verantwortung und ihren Einfluss ernst nehmen wollen.

Und was sagen da die Top-Führungskräfte wie zum Beispiel Ben Sherwood, Ex-Präsident von Disney ABC Television? „Meine grösste Leadership-Lektion war der Rat: ‚Only connect!'“, schloss er sein Referat. Es gehe im Miteinander und in der Mitarbeiterführung am Ende nur darum, zu verbinden, zu vernetzen, eine Beziehung aufzubauen.

Oder eben: Menschen an den Tisch zu bringen.

Und Dr. Krish Kandiah, der sich als Autor und Social Entrepreneur im Bereich Pflegefamilien für Kinder engagiert, erzählte, wie man ihm beibringen wollte: „Als Führungsperson musst du auch mal auf den Tisch klopfen können.“

„Nein, wenn das so ist, dann bin ich eben keine Führungsperson“, war seine Reaktion darauf. Statt auf den Tisch zu klopfen, will er ein Leader sein, der die Leute zu sich an den Tisch einlädt, sich mit Menschen verbindet, von anderen lernen will.

Was für ein Fest, wenn wir alle das Leben noch vielmehr als Tisch oder eben als Potluck begreifen, wo jeder das Leben der anderen mit seinem persönlichen Beitrag reicher macht.

Glücksaufgabe

Schau, dass du nicht alleine an deinem Tisch sitzt! Ob ganz konkret mit einem Essen oder im übertragenen Sinn als Führungsperson: Hol Leute an deinen Tisch! Verbinde dich mit deinen Mitarbeitenden, deinen Mitmenschen.

Unsere Gesellschaft und unsere Unternehmen brauchen nicht mehr Härte, wir brauchen mehr Wärme. Was ist dein Beitrag dazu?

 

Das Tischgespräch

Für ein gutes Tischgespräch kommt es nicht so sehr darauf an,
was sich auf dem Tisch, sondern was sich auf den Stühlen befindet.

Walter Matthau 

Bald ist es wieder soweit und wir werden vom netten Blumengeschäft daran erinnert, dass wir am Valentinstag unsere Liebsten beschenken sollen. Wenigstens einmal im Jahr! Ein Blumenstrauss zur rechten Zeit – oder noch besser: immer wieder als kleine Überraschung im Alltag – ist wahrlich nichts Verkehrtes. Aber ob es ausgerechnet am 14. Februar sein muss. (Allen, die wiederkehrend den eigenen Hochzeitstag vergessen, mag das agressive Marketing um den Valentinstag ein willkommener Wink mit dem Zaunpfahl sein. Trotzdem: Unsere Liebsten hätten eigentlich etwas anderes verdient, oder nicht?)

In den Wochen vor dem Valentinstag findet seit einigen Jahren an verschiedenen Orten auf der Welt die MarriageWeek statt. Mir gefällt diese Idee, weil die unterschiedlichsten Veranstalter die Paare dazu einladen, etwas miteinander zu erleben. Das gemeinsame Erlebnis, zum Beispiel die Schneeschuh-Wanderung oder die kurze Auszeit zu zweit, wirkt noch nach, wenn die Blumen schon lange verwelkt sind.

Für mich muss es gar nicht (immer) das grosse Abenteuer sein. Mir bedeutet das gemeinsame „zu Tisch sitzen“ mit meiner Frau sehr viel. Gerne in einem chicen Restaurant, aber auch daheim – wenn sich die Kinder in ihre Zimmer verzogen oder sonst ein eigenes Programm haben – geniessen wir solche Stunden der Gemeinsamkeit. Bei einem Teller Spaghetti und einem Glas Rotwein sprechen wir über Freud und Leid des Alltags, schmieden Zukunftsvisionen und stärken unsere Beziehung.

Leider sind bei uns gegenwärtig viele Abende durch Sitzungen und Veranstaltungen verplant. Die Zeiten zu zweit am Tisch sind daher umkämpfter als auch schon. Dafür haben wir uns aufs neue Jahr ein neues Ritual zugelegt: 1-2 Mal pro Woche gehen wir, so bald die Kinder aus dem Haus sind und bevor wir mit der Arbeit starten, auf eine Walking-Tour der Aare entlang. Es ist ein Privileg, Zeit zu zweit geniessen zu können, während andere bereits an der Arbeit sind. Auf der anderen Seite sind wir oft dann noch am Arbeiten, wenn andere schon lange ihren Feierabend geniessen. Was ich damit sagen will: Jede Person und jedes Paar ist dafür verantwortlich, sich diese eigenen Inseln für sich und für die Beziehung dort zu schaffen, wo es möglich ist.

Zurück zum Tisch: Den teile ich nämlich auch gerne mit anderen Menschen, die mir wichtig sind. Ob das jährliche „Weihnachtsessen“ mit meinem Rektor aus der Studienzeit oder die regelmässigen Eat’n’Meets, zu welchen wir jeweils drei Paare zu uns nach Hause an unseren langen Tisch einladen – es bedeutet mir viel, mich mit Menschen zu umgeben, die mir gut tun, mit denen ich über Gott und die Welt philosophieren kann und die sich aufrichtig an mir als Person interessieren.

Auch wenn ich feines Essen und guter Wein sehr schätze, stimme ich mit Walter Matthau und seinem Eingangszitat völlig überein: Es ist wichtiger, mit wem man zu Tisch sitzt, als was auf dem Tisch steht.

 

Im GlücksBlog schreibe ich zu den fünf Bereichen, die zu einem Leben in Zufriedenheit gehören. Diese Woche geht es um den Bereich Erfülltes Liebes- und Familienleben.