Geliebt sein

Selbstannahme

Ein gutes Mass an Selbstliebe und Selbstwertgefühl stellt die Basis dar,
um auch anderen liebevoll und einfühlsam begegnen zu können.
Michael Klessmann

In der christlichen Tradition werden Nächsten- und sogar Feindesliebe gross geschrieben. Demgegenüber hat die Selbstliebe oftmals einen fahlen Beigeschmack und wird schnell einmal mit Selbstverherrlichung und Ego-Trip gleichgesetzt. Vielerorts ist eine solche Ansicht inzwischen – Gott sei Dank – überwunden worden.

Nur wer gelernt hat, sich selbst zu lieben und sich anzunehmen, wird das Gebot der Nächstenliebe aufrichtig und gesund ausleben können. Eigentlich schwingt das bereits in der Jesus-Aussage „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Markus 12,31) mit. Und das diese Selbstliebe mitunter die schwierigste Aufgabe sein kann, schrieb der Psychiater C.G. Jung: „Wenn ich nun aber entdecken sollte, dass der Geringste von allen, der Ärmste aller Bettler, der Frechste aller Beleidiger, ja der Feind selber in mir ist, dass ich selber des Almosens meiner Güte bedarf, dass ich mir selber der zu liebende Feind bin, was dann?“

Selbstannahme

Nächsten lieben? Ja! Feinde lieben? Ja! Aber was, wenn der Feind in mir selbst ist? Was, wenn es mir einfach nicht gelingt, mich mit meinem Schatten, meinen dunkeln Seiten, mit meinem Wesen, mit meinem Inneren oder Äusseren zu versöhnen?

Auf diese schwierige Frage will ich keine einfache Antwort geben – weil das individuelle Leben komplexer ist als gut gemeinte Allzweckratschläge. C.G. Jung spricht davon, dass es das Unmöglichste sei, „sich selbst in seinem erbärmlichen So-Sein anzunehmen.“ Wenn schon einer der grossen Psychiater solches sagt, wird es wohl kaum einen einfachen, schnell anzuwendenden psychologischen Trick zur Selbstannahme geben.

Was sicher ist: Wer Liebe geben will, muss zuerst selbst Liebe erfahren. Und um mich selbst lieben zu lernen, brauche ich die Erfahrung des unverdienten Geschenks des „Geliebt-Werdens“. Entwicklungspsychologisch geht unsere Liebesfähigkeit auf die Kleinkindphase zurück. Michael Klessmann schreibt in seinem Lehrbuch zur Pastoralpsychologie:

Ein Kind ist zunächst darauf angewiesen, dass ihm die Liebe und sensible Zuwendung der Mutter entgegenkommt, um ein stabiles Selbstwertgefühl aufbauen zu können. Nur in dem Mass, in dem das gelingt, ist das Kind und später der/die Erwachsene wiederum in der Lage, selber unverkrampft und offen Liebe und Zuneigung an andere weiterzugeben. Wenn ein Kind kein einigermassen stabiles Selbstwertgefühl entwickeln kann, wird es kaum liebesfähig, sondern wird dazu neigen, erlittene Frustrationen und Verletzungen in späteren Beziehungen zu wiederholen.

Für mich als Theologe und Jesus-Nachfolger beginnt die Stärkung der eigenen Liebesfähigkeit jedoch noch weit früher als bei der erfahrenen Mutterliebe: Die Gewissheit, ein geliebtes und erwünschtes Geschöpf des himmlischen Vaters zu sein, ist für mich der feste Boden, auf dem ich stehe. Und dass mir dieser vollkommene Gott trotz meinem „erbärmlichen So-Sein“ immer wieder ein Beziehungs- und Liebesangebot macht, ist wahrhaft Gnade. 

WEITERFÜHRENDE ANGEBOTE

Mein Blogbeitrag dieser Woche dreht sich um den Lebensbereich “Spiritualität“.

So haben Sie den Stress im Griff

Der einzige „gute“ Stress ist der,
der schnell wieder weggeht.
Archibald Hart (in: Wer zu viel hat, kommt zu kurz

Letzten Freitag habe ich an dieser Stelle nicht weniger versprochen, als Tipps dafür, wie Sie den Stress mit einem wirkungsvollen Stressmanagement in den Griff bekommen. Nun, ich will Ihnen nichts vormachen: Ich weiss ja nicht, was bei Ihnen funktioniert. Aber ich erzähle Ihnen heute gerne, wie mein wirkungsvolles Stressmanagement ausschaut. Dabei ist meine Spiritualität von zentraler Bedeutung.

Hier also vier Tipps, wie ich es meistens schaffe, den Stress im Griff zu halten und mein Leben in einer gesunden Balance zu gestalten.

1. Ich bin sein Werk – den grossen Rahmen verstehen

Wir haben es ganz gut geschafft, Gott an die Ränder unseres Lebens zu drängen: Am Lebensanfang die Taufe und zum Schluss die Beerdigung in der Kirche. Dazwischen leben wir unser Leben als wäre da kein Gott. Wir meinen, wir müssten unser eigener Chef und Meister sein, wir müssten alles selbst im Griff haben.

Aber Halt! Meine Spiritualität, meine Gottesbeziehung, sagt mir: Da ist noch ein anderer über mir, einer, der die Übersicht nie verliert, einer, der mich nicht überfordern will und einer, der mir ein Stresssystem anvertraut hat, mir aber wünscht, dass ich es nicht übermässig gebrauche.

Was das alles mit Stress zu tun hat? Sehr viel! Wenn ich so leben muss, als würde es keinen Gott über mir geben, muss ich alles selbst an die Hand nehmen. Nach dem Motto: „Wenn ich es nicht unter Kontrolle habe, wer dann?“. Für mich ist es unheimlich (stress)befreiend, zu wissen, dass ich sein Werk bin, dass er mich liebt, mich trägt und er die letzte Kontrolle über alles hat.

2. Ich kläre meine Prioritäten – den persönlichen Nordstern finden

Es ist eines meiner grossen Lieblingsthemen: Eine Vision im Leben hilft uns, unseren Lebensweg im Alltag zu gestalten.

Wenn ich weiss, zu was ich ja sage, weiss ich auch, zu was ich nein sagen sollte. Darum habe ich meinen Nordstern definiert, geklärt, was meine Lebensvision sein soll. Jahr für Jahr setze ich mir meine Ziele und will damit meinem Leben Richtung geben.

Da ich mich beim ersten Punkt daran erinnert habe, dass ich Gottes Werk bin und er die letzte Kontrolle hat, versuche ich meinen Schöpfer auch in diesem Schritt zu integrieren: Welche Ziele hat er wohl für mein Leben?

Eine Lebensvision zu haben, hilft Ziele zu setzen. Ziele zu haben, hilft Prioritäten im Alltag zu klären. Nach Prioritäten zu leben, hilft den Stress zu verringern. Denn: Ich muss nicht alles tun, aber ich muss wissen, was mir wichtig ist!

3. Ich gestalte meine Life-Balance – die gesunde Ausgewogenheit suchen

Das ist ja immer wieder das Thema meines Blogs. Darum nur kurz: Es geht darum, das eigene Leben in einer gesunden Balance aller Lebensbereiche zu gestalten. Dazu gehören ein guter Umgang mit der Arbeit, ein Ort der Liebe (Partnerschaft/Familie), mein Platz ist der Gemeinschaft, die Pflege meines Selbsts und die Sinnfrage (Spiritualität).

4. Ich akzeptiere meine Grenzen – das richtige Mass leben

Jeder hat Grenzen, die er akzeptieren muss. Einige solche Grenzen sind allgemeingültig, andere sind individuell.

Wir alle müssen darauf achten, wie wir mit den Möglichkeiten und Grenzen unseres Körpers umgehen: Schlaf, Ernährung, Bewegung. Es gibt gewisse Naturgesetze, die wir einfach akzeptieren müssen. Auf Anspannung muss Entspannung folgen, sonst geht es nicht lange gut.

Dann gibt es die individuellen Grenzen: Nicht jeder hat die selben Möglichkeiten. Ich muss wissen, was ich kann und was ich nicht kann. Was sind meine besonderen Fähigkeiten, die mich zu der einzigartigen Persönlichkeit machen, die ich bin?

Wenn ich meine Fähigkeiten auslebe und meine Grenzen akzeptiere (also nicht etwas tun will, das nicht zu mir passt), senkt sich der Stresspegel in meinem Alltag ungemein.

 

WEITERFÜHRENDE ANGEBOTE ZUM THEMA

Mein Blogbeitrag dieser Woche dreht sich um den Lebensbereich “Spiritualität“.