"Luege, Lose, Loufe"

Ein Staatsmann wünscht sich Mut und Visionen.
Doch nach sechsmonatiger Erfahrung wünscht er sich vor allem eines: Geduld.
Stanley Baldwin

Nachdem mich das Motto „Luege, Lose, Loufe“ schon seit Jahren begleitet und zu einer Strategie wurde, die ich an verschiedensten Orten und in unterschiedlichsten Kontexten vermitteln durfte, ist es nun angebracht, diesen drei simplen Worten, denen ich viele wertvolle Erfahrungen zu verdanken habe, einen Blogartikel zu widmen.

Angefangen hatte alles mit einer Kinderwoche bei uns im Dorf. Meine Frau hatte die Idee, die vier Nachmittage zu Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit unter das Motto „Luege, Lose, Loufe“ zu stellen. Beim Abschlussfest durfte ich den Kindern und ihren Eltern einige Gedanken unter eben diesen drei Stichworten weitergeben. Das war meine Premiere zu diesem Thema.

Damals hätte ich mir nicht vorstellen können, welche Reise ich über die Jahre mit diesem Thema machen würde. Es entstand eine Predigtserie, Artikel in mehreren Zeitschriften, ein Referat, mit dem ich an zahlreichen Veranstaltungen, bis über die Landesgrenzen hinaus, unterwegs war und als (vorläufiger) Höhepunkt kam es unter diesem Motto kürzlich zu einer Personalschulung für eine Bergbahn. Während meinem Masterstudium bildete ich meinen Praxiszyklus anhand diesem eingängigen Motto: Luege, Lose, Loufe.

Genau diese Einfachheit finde ich das Bestechende an dieser Strategie. Jedes Kind lernt die Wörter – und die Reihenfolge – bereits im Kindergarten, wenn der Verkehrspolizist auf Besuch ist. Doch „Luege, Lose, Loufe“ eignet sich nicht nur als sicheres Verhalten im Verkehr. Die kinderleichte und doch oftmals herausfordernde Strategie kann Menschen und Organisationen auf dem Weg zu ihrem Ziel eine grosse Hilfe werden.

Vision ohne Strategie ist eine Sackgasse

Ziele und Visionen sind für eine Organisation – und überhaupt im Leben – von grosser Bedeutung. Erich Fromm hat es in einem meiner Lieblingszitaten treffend ausgedrückt:

„Wenn das Leben keine Vision hat, nach der man sich sehnt, die man verwirklichen möchte, dann gibt es auch kein Motiv, sich anzustrengen.“
(Erich Fromm)

Wenn wir wollen, dass eine Vision nicht ein Wunschtraum bleibt, brauchen wir auch eine Strategie, die uns unserer Vision näher bringt. Und genau da kommt „Luege, Lose, Loufe“ ins Spiel. Die Strategie ist bestechend, weil jedes Kind sie auswendig lernen kann und weil sie sowohl in meiner sozial-diakonischen NPO im Seeland als auch in einem Grossunternehmen, in einer Kirche oder einer KMU angewendet werden kann.

Das Einhalten der Reihenfolge unserer drei Schritte bewahrt uns davor, loszurennen ohne vorher geklärt zu haben, in welchem Umfeld wir eigentlich tätig sind. Bevor wir all unsere Kräfte sammeln und zufällig in eine Himmelsrichtung losziehen, müssen wir den Kontext wahrnehmen, Möglichkeiten und Grenzen erkennen, Ressourcen einteilen, neugierig und mutig Fragen stellen…

Die drei Schritte könnten sich wie folgt aufteilen:

  • Luege (Schauen): Hier beschäftigen wir uns mit dem IST-Zustand. Was sehen wir, wenn wir um uns schauen? Es geht darum, uns und unsere Situation – ob als Privatperson oder als Organisation – wahrzunehmen: Sind wir noch auf dem Weg, den wir uns vorgenommen hatten? Oder: Entspricht der Weg noch meinen/unseren heutigen Ansprüchen? Hat sich unser Umfeld so sehr verändert, dass die Methoden, die in Vergangenheit erfolgsversprechend waren, heute zunehmend versagen?
    Wenn wir die Strategie im Bereich der Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe anwenden wollen, sind hier unsere offenen Augen für den Mitmenschen gefragt. Oft haben wir so viel mit uns selbst zu tun, dass wir die Menschen um uns herum gar nicht mehr wahrnehmen.
    Und dies wiederum gilt auch für viele Firmen: So viele Organisationen sind so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie ihr Umfeld gar nicht mehr (richtig) wahrnehmen. Darum: „Häreluege“ (Hinschauen)!

 

  • Lose (Hören): Nach dem Hinschauen ist eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Situation gefragt. Hier geht es nicht mehr nur ums Wahrnehmen (z.B. das eine Methode nicht mehr funktioniert), sondern um Facts, um die Analyse. Es ist die Kunst des aktiven Zuhörens gefragt. Viele aktivistische Personen überspringen diesen Punkt gerne. Lieber gleich loslegen, es gibt ja noch so viel zu tun. Doch genau da scheitern viele gut gemeinte Initiativen. Wir meinen, zu wissen, was zu tun ist, noch bevor wir eine konkrete Bedarfsabklärung getroffen haben.
    Warum ist der IST-Zustand unbefriedigend? Wie sähe der erhoffte SOLL-Zustand aus? Um uns ein klares Bild der Bedürfnisse unserer Organisation, unseres Umfeldes oder unserer Zielgruppe malen zu können, dürfen (nein: müssen!) wir neugierig Fragen stellen und Fakten sammeln. Methodisch ist hier sehr vieles denkbar. Ob eine Umfrage, eine Auswertung von statistischem Material, Expertenmeinungen, Sammeln von Storys („Erzähl mir mal deine Geschichte!“)… – von Fall zu Fall wird das eine oder andere Vorgehen angebracht sein.

 

  • Loufe (Gehen): Nun dürfen die Praktiker aufatmen, zumindest schon fast. Jetzt geht es um lösungsorientiertes Handeln, das aber vorher noch geplant werden muss: Wie könnte die Brücke vom IST zum SOLL ausschauen?
    Hier ist auch Querdenken („Out of the box“) und mutiges Handeln gefragt: Wenn die bisherigen Methoden ausgedient haben, was könnte in der neuen Situation funktionieren?
    Mein Lieblingsbeispiel von solchem mutigen und „querem“ Handeln sind paar Freunde in einer biblischen Geschichte, die einen Lahmen zu Jesus bringen wollten. Da der Haupteingang versperrt war, stiegen sie kurzerhand aufs Dach, deckten dieses ab und seilten den Lahmen ab.
    Wenn die „alten Wege“ (die Haupteingänge) in einer Beziehung, einer Firma oder in der Kirche nicht mehr funktionieren, ist es möglicherweise Zeit, „Dachabdecker“ zu werden und ganze andere Wege auszuprobieren.

Ein Schritt fehlt noch. Als ich erstmals mit diesem Motto arbeitete, rief ich bei der Verkehrspolizei an und fragte, ob ich von diesen „Luege, Lose, Loufe“-Kleber haben dürfte, die sie im Kindergarten verteilen. Es hiesse „Warte, Luege, Lose, Loufe“, ermahnte mich der Verkehrspolizist, der ganz bei seiner Mission war. Und er hat tatsächlich bleibende Spuren hinterlassen: Noch heute erinnere ich mich daran, dass wir zuerst warten müssen. Warten und unsere Betriebsamkeit stoppen. Wir können nicht mitten im Alltagsgeschäft auch noch mit der „Luege, Lose, Loufe“-Strategie eine Neuausrichtung anstreben. Wir müssen Anhalten/Warten und uns in aller Ruhe dem „Luege“, dem „Lose“ und dann mit voller Kraft dem „Loufe“ zuwenden. Ganz wie ich es einmal in einem Hörbuch aufgeschnappt habe: „Wir müssen nicht nur in der Firma arbeiten, sondern auch immer mal wieder an der Firma arbeiten.“

 

Weiterführende Angebote zum Thema

  • Ein früherer Blogartikel zum Thema: Ein Weltverbesserer sein
  • Gerne stehen wir Ihnen für eine Personalschulung oder ein Team-Coaching zur Verfügung und erarbeiten mit Ihnen Ihre „Luege, Lose, Loufe“-Strategie.
  • „Luege, Lose, Loufe“ ganz persönlich – in einem Coaching-Prozess unterstützen wir Sie gerne dabei.

 

Mein  Blogbeitrag dieser Woche dreht sich um den LebensbereichArbeit“.