Gott, warum nur?

»Warum lässt Gott das zu?«

Diese Frage begleitet jede Krise. Und wenn die Krise, wie die aktuelle, eine weltumspannende ist und am Ende wohl jeder Erdenbürger irgendwo mit den Folgen dieser Krise konfrontiert wird, stellt sich die Frage nach dem scheinbar passiv zuschauenden Gott erst recht.

Obwohl: Ich hätte da noch ganz andere Warum-Fragen an den lieben Gott.

Ob Klimanotstand, Corona-Krise, Hungersnöte oder viele weitere Tragödien dieser Welt – wenn wir ehrlich sind, ist es zu einfach, wenn wir die Schuld daran einfach Gott in die Schuhe schieben wollen.

Vieles ist selbstgemacht! Unser exzessiver, ausbeuterischer Lebensstil geht auf Kosten von anderen!

Auf Kosten von Menschen, die nicht dieselben Mittel haben wie wir – oder ganz einfach nicht das Glück hatten, in diesem Teil der Erde geboren worden zu sein.

Auf Kosten von Tieren, die wir nur züchten, um sie dann abzuschlachten und auf unseren Speiseplan zu setzen. (Ich liebe ein gutes Stück Fleisch und bin alles andere als ein Vegetarier, verschweige denn ein Veganer. Doch langsam aber sicher hab ich „die Schnauze voll“ von unserer allgegenwärtigen Masslosigkeit – wir sehen ja, wo uns das hinführt!)

Auf Kosten der Natur, die ihr Gleichgewicht verliert, während wir immer mehr „unser Ding“ durchziehen.

Also, bitte hören wir auf, Gott für etwas verantwortlich zu machen, was wir selber ganz prächtig vergeigen.

Für mich stellt sich die „Warum, Gott?“-Frage weniger bei diesen grossen Krisen, die viel mit unserem Lebensstil zu tun haben. Was mich aber beschäftigt, sind die vielen Einzelschicksale, wo Menschen alles verlieren, was sie hatten. Wo Menschen durch nichtenden wollende gesundheitliche Wüsten gehen. Wo Kinder einfach am falschen Ort auf dieser Welt oder auch einfach in der falschen Familie geboren werden – und dann ein Leben auf der Flucht, im Hunger oder in psychischem oder physischem Missbrauch ausgesetzt verbringen müssen.

GOTT, WARUM LÄSST DU DAS ZU? WARUM MÜSSEN DIESE SCHWÄCHSTEN DER SCHWACHEN SO VIEL LEID ERFAHREN?

Da fehlen mir die Argumente, es gibt nur unzureichende Antworten.

Ein Gott, der sich selbst hingibt

Aufgrund der Corona-Krise wird dieses Jahr auf der ganzen Welt das wichtigste Fest der Christenheit anders gefeiert: Die Kirchen bleiben leer. Einige haben dazu gesagt: Das passt doch, das Grab war an Ostern auch leer.

Und vielleicht ist es ganz gut, dass so vieles anders ist als sonst. Das lässt hoffentlich der Frage mehr Raum, was es denn mit diesem christlichen Fest auf sich hat.

Die „Warum lässt Gott das zu?“-Frage könnten wir auch an Karfreitag stellen: Warum nur lässt Gott seinen eigenen Sohn diesen quälenden Tod am Kreuz erleiden?

Es sah aus wie die sichere Niederlage. Die Soldaten spotteten: Wenn du wirklich Gott bist, dann zeig es jetzt! Anderen hast du geholfen – und jetzt das …

Auch was von Jesus überliefert ist, schmeckt irgendwie nach bitterer Niederlage:

Gegen drei Uhr rief Jesus laut:
»Eli, Eli, lema sabachtani?«
Das heisst übersetzt:
»Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?«
(Die Bibel, Markus 15,34)

»Warum, Gott?«

Die theologische Antwort darauf fällt unterschiedlich aus. Was wir mit Bestimmtheit wissen: Was an Karfreitag im Kleid einer sicheren Niederlage daher kam, wurde am Ostersonntag in den grössten Sieg dieser Welt verwandelt!

In Zeiten wie diesen wird uns erst recht bewusst, wie sehr wir den auferstandenen Jesus nötig haben, der zu seiner Zeit alles heil machen wird, was jetzt krank und zerbrochen ist.

Glücksaufgabe

Was bedeuten Karfreitag und Ostern für dich? Dass Gott sich selbst verletzlich machte, ist auch heute noch von Bedeutung. Gib Ostern die Chance, mehr als ein schönes Osterhasen-Familienfest oder der höchste christliche Feiertag zu sein. Für Gott wurde es persönlich, lass es auch für dich persönlich werden!

Diese Woche habe ich bei Richard Rohr eine spannende Bedeutung von Karfreitag gelesen:

Für uns ist Jesus nicht gekommen, um Gott in seinem Urteil über die Menschheit umzustimmen, sondern um die Menschheit in Bezug auf Gott umzustimmen. Das ist ‚einfach und schön‘, wie Einstein es von jeder grossen Wahrheit verlangt hat.

Willkommen im Lockdown-Alltag

Diese Tage zeigen in aller Deutlichkeit: Wir leben in einer sehr verletzlichen Welt. Was sich vor einigen Wochen kaum jemand hätte vorstellen können, ist heute Tatsache und das gesellschaftliche Leben steht still.

Wie geht es dir dabei?

Ich meine, tief in deinem Innern.

Nach dem allgemeinen Chaos und der teils surrealen Hektik der ersten Lockdown-Tagen ist inzwischen vielerorts sowas wie „Ausnahmezustand-Alltag“ eingekehrt.

Reagierte anfangs jeder auf seine eigene Art reflexartig  auf die Krise („Wo gibt es WC-Papier??“ oder  „Ach was, das ist alles halb so schlimm. Ich bleib doch sicher nicht zuhause!“),  stellen sich nach den ersten Wochen Lockdown grundsätzlichere Fragen:

Wie organisiere ich einen gewissen Alltag in diesem abnormalen Zustand?

Drei Wochen Fernunterricht war ja noch einigermassen lustig, aber wie schaff ich das die nächsten X Wochen?

HomeOffice – das geht, ich bin effizienter als im Grossraumbüro und die Video-Konferenzen bringen mal etwas Abwechslung in den sonst ewiggleichen Büroalltag. Doch: Wie ist es mit den nicht zu unterschätzenden emotionalen Beziehungen im Team? Was, wenn das „ungute Bauchgefühl“ nicht im persönlichen Kontakt ausdiskutiert werden kann? Ich vermute, dass da bei allen technischen Möglichkeiten nichts die persönliche Begegnung wirklich ersetzen kann.

Und wie finden alle die Familien, die nun so überhaupt nicht entschleunigen können (Wer hat sich diesen Witz ausgedacht? 4 Zimmer Wohnung, 2 Notebooks, 3 Kinder, die sich um Zimmer und Computer streiten, ein Vater, dessen Omnipräsenz zuhause nicht gerade zur Deeskalation beiträgt und eine Mutter die im Dreieck springt – wer kann da entschleunigen und mal in aller Ruhe ein gutes Buch lesen?!?!), zu einem Familienalltag, der mindestens gleichviel Lust- wie Frustmomente enthält?

Wie gelingt es mir, in dieser Zeit abzuschalten?

Während meine Tage gar nicht so viel anders sind als sonst, spüre ich abends einen massiven Unterschied: Vor Corona waren, bedingt durch meine diversen Mandate, fast alle Abende mit Sitzungen oder Anlässen besetzt. Und wenn ich mal zuhause war, dann hatte bestimmt meine Frau einen Kurs oder eines unserer Kinder war im Training oder Ausgang …

Jetzt sind wir jeden Abend alle vier daheim. Wie schön! Endlich zusammen Abendessen geniessen, lachen beim gemeinsamen Spielabend, Familien-Jahrbuch der letzten zwei (oder waren es drei) Jahren nachführen.

In der perfekten Familie ist das so. Wir sind keine perfekte Familie. 12 Minuten gemeinsam essen, dann gehen die Kids in die selbst gewählte Zimmerisolation während sich Frau und Mann aufs Sofa knallen und einmal mehr die Tagesschau reinziehen.

Naja, wir haben mindestens noch Entwicklungspotenzial und so wie es derzeit ausschaut, geht das Übungsfeld ja noch eine Weile weiter.

Bevor ein falscher Eindruck entsteht: Es gibt sie durchaus auch bei uns – wie bei dir sicher auch! – die schönen Momente, wo wir uns am Zusammensein freuen, als Familie oder als Paar. Aber sie sind manchmal ganz kurz und darum muss man sie bewusst sehen wollen und dankbar sein für die Zweisamkeit beim schönen Film oder die Gemeinschaft als Familie beim Pizzaabend.

Was macht die Krise mit meiner Seele?

Es ist offensichtlich: Abschalten gelingt nicht automatisch.  Ich merke, dass ich gerade noch mehr als sonst für meine wöchentlichen „Stillen Stunden“ (Tagebuchschreiben, reflektieren, lesen, beten) kämpfen muss als sonst.

Und jetzt noch eine Stufe tiefer: Was macht das Ganze eigentlich mit meinem Bild von der Menschheit, von der Welt und von Gott?

Die Krise ist auch eine Einladung, uns dieser Verletzlichkeit der Gesellschaft, aber auch der Verletzlichkeit des Selbst zu stellen.

Was bleibt in meiner Seele übrig, wenn mir der normale Alltag genommen wird? Wo offenbaren sich Sinn und Unsinn in meinem Leben?

Und wo verändert sich durch die Krise sogar mein Gottesbild? Was macht Corona mit meiner Gottesbeziehung?

Sich der Sinnfrage zu stellen, ist ein wichtiger Pfeiler vom persönlichen Glück. Vielleicht ist die Krise trotz allen Herausforderungen vor allem eines: Eine Einladung an uns, der Sinnfrage Raum zu geben.

Glücksaufgabe

Sinnhaftigkeit und eine gelebte Spiritualität sind wichtige Pfeiler für ein glückliches, erfülltes Leben. Oder in der Sprache des GlückBuchs: Die Spiritualität ist der Wind im Windrad.

Vielleicht ist die kommende Osterwoche ja eine gute Möglichkeit, sich bewusst in diesen Wind zu stellen. Hilfestellungen dazu gibt es viele, eine könnte beispielsweise der Artikel Glück über mich hinaus sein.