Leben ohne zu bereuen

Aber freilich, wie viele bemühen sich der Früchte wegen um ihre Bäume, um den allerertragreichsten Besitz, dagegen, um die Freundschaft bekümmern sich die meisten nur lässig und ohne Lust.
Xenophon (430 – 354 v. Chr. griechischer Philosoph)

Höchst spannend, was Menschen anders machen würden, wenn sie ihr Leben vom Ende her betrachten: Die meisten Menschen bereuen auf dem Sterbebett, nicht mehr Zeit in Freundschaften investiert zu haben. Besonders bei den Männern geht dies gemäss Bronnie Ware, einer australischen Palliativpflegerin und Autorin, durchs Band mit einer weiteren Reue zusammen: „Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet.“

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Neu ist diese Einsicht freilich nicht: Wie das obige Zitat zeigt, wurde schon 400 Jahre vor Christus die Arbeit über- und die Freundschaft unterbewertet. Auch wenn unsere Arbeit kaum aus der Bewirtschaftung von Bäumen und dem Ernten von Früchten besteht, hat der griechische Philosoph Xenophon eine wichtige Botschaft für uns: Wir stehen in Gefahr, uns zu sehr um den Lohn unserer Arbeit zu bemühen und vergessen dabei, dass der viel grössere und wertvollere Schatz in zwischenmenschlichen Beziehungen liegt – und nicht auf dem Bankkonto.

Gemäss Xenophon sind Freundschaften der allerertragreichste Besitz. Sinngemäss bin ich mit ihm einverstanden, wenn mir auch die Wortwahl etwas ungeschickt erscheint – aber das mag daran liegen, dass es zwischen Xenophon und mir fast 2500 Jahre zu überbrücken gilt und erst noch das Altgriechische in eine uns verständliche Sprache transferiert werden muss.

Jedenfalls sind Freundschaften aus meiner Sicht nicht etwas, das man besitzt. Freundschaften sind nicht Dinge, die man kaufen oder verwalten kann. Man kann sie auch nicht per Knopfdruck ins Leben rufen. Selbst Internetbekanntschaften unterscheiden sich grundlegend von den Dingen, die man in Onlineshops bestellt.

Freundschaften besitzt man nicht, Freundschaften pflegt man. Und das macht sie so unberechenbar. Freundschaften sind das Zusammenspiel von zwei oder mehr Individuen, es ist die Interaktion zwischen unterschiedlichen Menschen mit all ihrer Emotionalität.

Das ist ganz schön unberechenbar – weil ich ja nicht mal die eigene Emotionalität ständig unter Kontrolle habe. Freundschaften sind also ein lebendiger, unplanbarer Prozess.

Zudem habe ich Vorbehalte gegenüber dem Adjektiv „allerertagreichste“, welches hier im Zitat verwendet wird. Philosophisch betrachtet finde ich es okay, wirtschaftlich betrachtet finde ich es bedenklich: Freundschaften sollen nicht „gehalten“ werden wie Aktien, bei denen man auf eine möglichst hohe Gewinnausschüttung hofft. Die „Rendite“ in Freundschaften sollten nicht im berechenbaren Bereich gesucht werden, sondern im wertvollen Gut eines erfüllenden Miteinanders.

In dem Sinn schreibe ich im Glücksbuch von fünf Kennzeichen von Freundschaften auf Augenhöhe:

  • Kennen + gekannt werden => Offenheit
    Das «Wie geht’s?» zur Begrüßung ist hier nicht 
    bloß eine Floskel. Ich will tatsächlich wissen, was meinen Freund gerade beschäftigt.
  • Lieben + geliebt werden => sich um einander kümmern
    Freunde wissen nicht nur, wie es dem anderen geht, sie zeigen auch Mitgefühl
  • Dienen + sich dienen lassen => Demut
    In guten Freundschaften wird Liebe praktisch.
  • Ermahnen + ermahnt werden => Wahrheit sagen
    Ermutigende Gemeinschaft macht auch vor schwierigen
    Themen nicht Halt.
  • Feiern + gefeiert werden => Bestätigung
    Unter Freunden werden nicht nur die Geburtstage gefeiert. Wir freuen uns an den Erfolgen unserer Freunde mit.

Ist doch schade, wenn wir erst auf dem Sterbebett bemerken, wofür es wirklich wert gewesen wäre zu leben. Versuchen wir doch schon heute Tag für Tag so zu leben, dass wir einmal möglichst wenig zu bereuen haben!

 

   Lassen Sie sich von meinem Glücksbuch inspirieren!

 

Mein  Blogbeitrag dieser Woche dreht sich um den Lebensbereich Gesellschaft“.

Wie du mir, so ich dir?

Takt ist die Fähigkeit, einem anderen auf die Beine zu helfen,
ohne ihm auf die Zehen zu treten.
Curt Goetz (deutscher Regisseur und Schriftsteller, 1888 – 1960)

Haben Sie gewusst, dass Sie ein Bankier sind? Ohne es möglichweise bis jetzt gewusst zu haben, verwalten Sie eine grosse Menge von Kontos auf denen tägliche Ein- und Auszahlungen getätigt werden.

Nein, ich spreche jetzt nicht von üblichen Geldkontos. Denn mit der Währung, in welcher diese Kontos geführt werden, können Sie sich keine Produkte des täglichen Gebrauchs kaufen. Sie wird weder im Onlineverkauf noch beim Grossverteiler akzeptiert, doch in täglichen zwischenmenschlichen Begegnungen ist sie Gold wert.

Ich schreibe hier vom Konzept des emotionalen Beziehungskontos. Stephen R. Covey bedient sich dieser Metapher in verschiedenen seiner Bücher (z.B. in Die 7 Wege zur Effektivität) um zu erklären, was in zwischenmenschlichen Beziehungen vor sich geht.

Jeder Mensch führt für die Menschen mit denen er in Beziehung steht ein virtuelles Beziehungskonto. Wie bei einem normalen Bankkonto gibt es auch beim emotionalen Beziehungskonto Ein- und Auszahlungen. Die Kunst einer beglückenden Beziehung ist nun, dass der Kontostand stetig steigt und somit das Guthaben an Vertrauen (das ist die Währung, in welcher dieses Konto geführt wird) fortlaufend zunimmt.

Einzahlungen auf das emotionale Beziehungskonto

Bei einer Erstbegegnung mit einer uns bis anhin fremden Person entscheiden wir recht schnell (natürlich aus dem Bauch heraus), ob es sich lohnen wird, für diese Person ein Konto anzulegen. Ist uns dieser Unbekannte auf anhieb sympathisch, gleicht dies einer Ersteinlage auf das neueröffnete emotionale Beziehungskonto. Folgen im weiteren Verlauf der Beziehung gute Begegnungen, werden Gemeinsamkeiten entdeckt, erweist sich die Person als hilfsbereit, übt das Gegenüber eine gewisse Faszination auf uns aus, so sind das alles weitere Einzahlungen auf das Beziehungskonto.

Nun reden wir ja von einem emotionalen Konto. Es geht also nur im übertragenen Sinn um Zahlen und Buchhaltung, nicht im mathematischen Sinn. Was wir abspeichern sind weniger errechnete Zahlen als vielmehr erlebte Emotionen, also Gefühle. Nach jeder Interaktion wird eine Beziehung entweder gestärkt oder geschwächt. Situationen, die gute Gefühle hinterlassen, sind Einzahlungen auf das emotionale Beziehungskonto. Konflikte und ungute Gefühle führen zu Belastungen und Auszahlungen auf diesem Konto.

Natürlich haben nicht nur wir ein emotionales Beziehungskonto für die Menschen, mit denen wir in Beziehung stehen. Die anderen Menschen führen selbstverständlich auch ein Konto, das unseren Namen trägt. Darum ist es sinnvoll, im Beziehungsalltag darüber nachzudenken, wie und wann wir Einzahlungen bei uns nahestehenden Personen vornehmen.

Denn: In jeder Beziehung (ob in der Ehe, am Arbeitsplatz, im Verein oder im Freundeskreis) gibt es von Zeit zu Zeit schwierige Momente und somit Abbuchungen vom emotionalen Beziehungskonto. Deshalb sind wir gut beraten, wenn wir uns regelmässig um Einzahlungen bemühen. Während Kränkungen, das Brechen von Abmachungen, Missverständnisse oder unerfüllte Erwartungen zu Belastungen auf dem Konto führen, sorgen wir mit gemeinsamen Erlebnissen, Liebestaten, Verständnis zeigen oder Grosszügigkeit dafür, dass der Konto-, resp. Vertrauensstand, auf dem emotionalen Beziehungskonto steigt.

 

 

WEITERFÜHRENDE ANGEBOTE

Mein Blogbeitrag dieser Woche dreht sich um den LebensbereichGesellschaft“.

Chips oder Brokkoli? – oder beides?

Es ist besser, mit guten Freunden Chips zu futtern,
als alleine Brokkoli zu essen.
John Ortberg

Anfangs dieser Woche hatte ich die Gelegenheit, mit meinem Vater und meinem Bruder in die Berge zu fahren. Wir genossen zwei wunderschöne Skitage. Besonders am frühen Morgen, als die Pisten noch leer waren, gab es für uns leidenschaftliche Skifahrer kein Halten mehr: Noch bevor die Bergbahn um 8.15 Uhr ihren Betrieb aufnahm, standen wir bei der Talstation bereit um dann, endlich oben angekommen, in hohem Tempo grosse Kurven in den Schnee zu ziehen. Es war herrlich.

Zu einem solchen Papa-Söhne-Trip gehört es natürlich auch, dass wir uns abends in einem Restaurant kulinarisch verwöhnen liessen. Da spielte sich an einem Abend vor unseren Augen eine sehr skurrile Szene ab: Während wir die Gemeinschaft genossen und zusammen lachten, sassen im Speisesaal verteilt etwa sechs Männer, die alle für sich alleine an einem Tisch sassen und mehr oder weniger leidenschaftlich in ihrem Brokkoli herumstocherten. (Kein Witz: Das Zitat oben könnte nicht passender sein: Die Herren bekamen tatsächlich Brokkoli serviert!)

Es gehört ja beides zu einem gesunden Leben: Freundschaften pflegen, Gemeinschaft geniessen, aber eben auch Momente des Rückzugs, der Stille, des Alleinseins, ja, in einem guten Sinn auch Momente der Einsamkeit. Wer sich alleine nicht aushält, ist auch in der Gemeinschaft kaum auszuhalten. Doch diese Männer im Speisesaal sahen nicht wirklich so aus, als würden sie gerade das Alleinsein geniessen. Da sassen zwei Männer Rücken an Rücken – und der Betrachter dieser Situation bekam den Eindruck nicht los, dass es sich hier eher um eine unfreiwillige, vielleicht sogar quälende Einsamkeit als um einen selbstgewählten Rückzug in die Stille handelte.

Befristete, selbstgewählte Einsamkeit kann etwas Heilsames haben. In der Stille begegne ich mir und vielleicht auch meinem Schöpfer. Ich kann mein Alltagsleben reflektieren und in der Ruhe neue Kraft tanken.

Doch alleine durchs Leben zu gehen, ohne Freunde an der Seite, ohne Gemeinschaft, ist eine ungesunde Sache. Im empfehlenswerten Buch Jeder ist normal, bis du ihn kennen lernst von John Ortberg habe ich das obige Zitat gefunden. Ortberg schreibt darin zu einem Harvard-Forschungsprojekt im Zusammenhang mit Beziehungen folgende Zeilen:

Die Forscher fanden heraus, dass Menschen, die am stärksten von anderen isoliert lebten, eine dreimal so hohe Sterblichkeitswahrscheinlichkeit hatten wie Menschen, die intensiv in Beziehungen eingebunden waren.

Menschen mit ungesunden Lebensgewohnheiten (Rauchen, schlechte Essgewohnheiten, Fettleibigkeit oder übermässiger Alkoholgenuss), die aber sozial stark eingebunden waren, lebten deutlich länger als Menschen mit einem gesunden Lebensstil, die aber einsam lebten.

Oder eben: „Es ist besser, mit guten Freunden Chips zu futtern, als alleine Brokkoli zu essen.“ Ich bin dankbar, habe ich ein paar Freunde, mit denen ich Chips futtern kann. Aber mit Freunden schmeckt sogar der Brokkoli gut.

 

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