KI macht uns zu Ameisen

Letzten Sonntag hab ich mit Interesse von einer praktischen Anwendung von KI (Künstlicher Intelligenz) gelesen und erst nach einigen Abschnitten gemerkt, dass ich den Erfinder dieser Anwendung ja persönlich kenne.

Martin Künzi erklärte in der NZZ am Sonntag, wie er mit seiner Firma Enigma ein Tool entwickelte, das ganze Kommunikationskonzepte innert Sekunden generieren kann. Es ist faszinierend, welche Möglichkeiten in der KI stecken und wie sie vielerorts die Arbeit verändern wird. So sagt Martin, dass sich seine Agentur künftig dank dem neuen Tool vor allem auf die strategische Beratung von Kunden fokussieren kann.

Und gleichzeitig liest man eine gehörige Portion Respekt aus dem Artikel: Angst dürfte man nicht haben, gibt Martin Künzi zu bedenken, aber lernen sollte man, intelligent mit der KI umzugehen. Und: «Ich habe schon Respekt davor, wohin das alles noch führt.»

Der Artikel hat mich fasziniert, bestimmt grad noch ein bisschen mehr, weil Martin neulich bei uns im Garten bei einem Eat’n’Meet Teil einer tollen Tischrunde war.

Anders ging es mir bei einem weiteren Artikel über die KI. Im Mai brachte die NZZ am Sonntag unter dem Titel «Der Mensch ist Steigbügelhalter für etwas Grösseres» ein Interview mit Jürgen Schmidhuber, Pionier der KI-Forschung. Das Gedankengut in diesem Interview hat mich provoziert – ich hab sogar in meinem Tagebuch darüber nachgedacht.

Damals legte ich den Artikel zur Seite und dachte, irgendwann muss ich das in meinem GlücksBlog verarbeiten. Irgendwann ist heute.

KI: Chance oder Gefahr?

In meinem Berufsalltag habe ich bisher nur wenig Berührungspunkte mit KI. Als witzige Spielereien liessen wir auch schon Impulse von ChatGPT generieren. Das Resultat war (noch) ernüchternd. Und als ich merkte, dass ChatGPT auf die Frage nach meinem Buch «Glück finden – hier und jetzt» nur allgemein Platituden zum Thema, aber nichts zu meinem Buch lieferte, war ich natürlich eingeschnappt und definitiv enttäuscht von der KI, die ja gar nichts weiss 😊.

Doch was ich da vom Experten lese, der sachlich und fasziniert von der zu erwartenden Entwicklung der KI spricht, rüttelt mich und meine Überzeugungen auf:

Menschen werden irgendwann wohl nicht mehr die Wichtigsten sein, doch deswegen nicht verschwinden. Schauen Sie sich um, die Ameisen sind ja auch noch da! Die gibt es schon viel länger als die Menschen, und obwohl wir klüger sind, haben wir kein Interesse daran, alle Ameisen auszurotten.

Die gute Nachricht: Wir brauchen keine Angst vor KI zu haben, sie will uns nicht ausrotten. Naja, ich bin da schon etwas skeptischer. Gefüttert wird KI von Menschen und die Geschichte lehrt uns, dass hilfreiche Tools in falschen Händen zu ganz viel Zerstörung führen kann.

Doch unwohl wird mir hier vor allem beim Vergleich vom Menschen mit den Ameisen: Es soll dem Menschen in absehbarer Zeit gehen wie der Ameise? Das bringt mein Welt- und Menschenbild ziemlich durcheinander.

KI stellt uns vor grosse ethische Fragen, das sagt auch Werber Martin Künzi. Da wird noch viel Arbeit auf uns warten.

Und als Theologe muss ich an biblische Texte (bspw. Psalm 8) denken, die mich daran erinnern, wie klein der Mensch als Teil des Universums ist. Trotzdem erhält der Mensch in diesen Texten eine herausragende Stellung: Gar als Krone der Schöpfung wird er betitelt.

Nein, ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass wir bloss «Steigbügelhalter für etwas Grösseres» sein sollen.

Ich hoffe darauf, dass der lebendige Mensch vor der «toten» Maschine bleibt.

Glücksaufgabe

Der Mensch ist eingeladen zu gestalten. Das tut er oft ganz ordentlich und so ist vieles erfunden, erschaffen und entwickelt worden.

Manchmal wurden wir aber auch zu Sklaven solcher ursprünglich hilfreichen Tools. So wird beispielsweise gefragt: Dient die Wirtschaft dem Menschen oder dient der Mensch der Wirtschaft?

Meine Glücksfrage an dich: Welchen Tools (vom Smartphone bis zum Geld ganz allgemein) hast du erlaubt, dich «im Griff» zu haben, statt sie im Griff zu haben? Glück kann hier heissen, dich von Abhängigkeiten zu lösen

Mit angezogener Handbremse unterwegs

Das typisch Menschliche: sich aus Angst vor einer unbekannten Zukunft
an die bekannte Vergangenheit klammern.

John Naisbitt

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Auto, vielleicht in einem eher älteren Fahrzeug, drehen den Schlüssel und der Motor startet. Sie beginnen Ihre Reise, aber kommen nicht so recht in Fahrt.  Erst jetzt bemerken Sie das kleine rote Lämpchen: Die Handbremse ist noch nicht vollständig gelöst. Sofort holen Sie das nach – und siehe da, das Fahrgefühl wird spürbar „befreiter“.

Das Fahren mit angezogener Handbremse ist nicht besonders angenehm und vor allem nicht wirklich gesund für ein Fahrzeug. Doch noch viel weniger gesund ist es, mit angezogener Handbremse durchs Leben zu gehen.

Dieses „Mit-angezogener-Handbremse-Unterwegssein“ kam mir beim Nachdenken über obiges Zitat in den Sinn. Statt mit Freude die Gegenwart zu gestalten und sich so (pro)aktiv auf die Zukunft einzulassen, hangen viele Menschen der Vergangenheit nach. Und diese Einstellung wird dann schnell einmal zu einem Fahren – oder eben Leben – mit angezogener Handbremse. „Als ich in der Blüte meines Lebens war“, wird wehmütig auf die Zeit zwischen 20 und 30 Jahren zurückgeschaut, „da hatte ich so richtige Freude am Leben!“ Und die das sagen, sind nicht selten noch nicht einmal 40 Jahre alt.

Vielleicht hat dies damit zu tun, dass einem in diesem Lebensabschnitt (oft ist diese Phase ja auch vom alltäglichen Familienwahnsinn mit zwei, drei kleinen Kindern geprägt) bewusst wird, dass sich nicht alle Lebensziele oder -träume verwirklichen lassen. Diese Angst, den grössten Abenteuer des Lebens, der gelassenen Unbekümmertheit und der jugendlichen Schaffenskraft für immer adieu gesagt zu haben, führen dazu, dass wir uns erinnerungsverliebt an die Vergangenheit klammern.

Versöhnt in die Zukunft

Die Zukunft kann Angst auslösen, weil sie unbekannt ist, vielleicht unberechenbar scheint. Und gut möglich, dass wir uns nicht auf sie freuen, weil tatsächlich ein unbeschwertes Leben wie in den 20ern kaum mehr möglich sein wird. Dann gibt es diese Jugendträume, die im Alltag immer weiter in den Hintergrund rücken und teils auch mit bestem Willen nicht mehr erfüllen lassen.

Um versöhnt leben zu können, müssen wir mit unserer Vergangenheit ins Reine kommen. Alten Wunden, schmerzhaften Erfahrungen und unerfüllten Wünschen sollten wir „den Wind aus den Segeln nehmen“, damit sie uns nicht auf der Reise in die Zukunft behindern können. Auch wenn uns mit 40 nicht mehr die ganze Welt offen steht, ist doch das Leben in dieser Phase voller Reichtum. Unsere gesammelten Erfahrungen (auch die schmerzlichen, auch unser Scheitern) haben das Potenzial zu wertvollen Schätzen zu werden, die unseren Alltag und unsere Zukunft reich machen.

Und damit meine ich mit nichten sowas wie resignative Zufriedenheit! Wer versöhnt im Jetzt lebt, wird die Zukunft aktiv gestalten können. Egal welches Alter wir haben, egal in welchen Lebensumständen wir stecken, wenn wir unser Leben bewusst gestalten und neue Träume/Ziele definieren, können wir sehr viel erreichen. Haben wir uns dabei entschieden, eine Eiche und nicht ein Kürbis zu sein, werden wir nicht nur alt, sondern auch weise. Und diese Lebensqualität ist mindestens so wertvoll wie die Unbeschwertheit der Jugend.

Tipps zum „Handbrems-lösen“

Mein Blogbeitrag dieser Woche dreht sich um den LebensbereichSelbst“.